"Der Trinker" nach Hans Fallada - eine Filmkritik

Den Namen Hans Fallada (1893 - 1947) verbinden die meisten mit Büchern wie "Kleiner Mann - was nun?", "Wer einmal aus dem Blechnapf frißt" und "Wolf unter Wölfen". Das letzte Werk dieses großen deutschen Schriftstellers, der selbst unter Alkoholproblemen litt, ist dagegen nicht so bekannt geworden. Vor vielen Jahren ist der "Trinker" - so meine ich - mit Siegfried Lowitz in der Rolle des Erwin Sommer verfilmt worden. Jetzt wurde der Roman mit Harald Juhnke in der Hauptrolle erneut verfilmt und anschließend im Fernsehen ausgestrahlt.

Ich hatte mich auf die Sendung gefreut und auch viel erwartet. Harald Juhnke als "Säufer", das ist als ob Ronald Reagan einen alternden US-Präsidenten spielen sollte, Whitney Houston eine Sängerin (so gesehen in Bodyguard mit Kevin Costner) oder Arnold Schwarzenegger einen wortkargen Muskelmann. Um es vorwegzunehmen: ich war enttäuscht, habe nach zwanzig Minuten das Fernsehgerät ab- und den Videorekorder angestellt. Der Landwarenhändler Erwin Sommer, der sich sein Leben lang nichts aus Alkohol gemacht hat, fängt nach einem geschäftlichen Rückschlag hemmungslos zu trinken an. Schon nach ein paar Tagen (!) verhält er sich wie ein Alkoholkranker in der chronischen Phase.

Ich habe mir dann für 9,90 DM das Taschenbuch (210 Seiten) besorgt und gelesen. Ich mußte anschließend Harald Juhnke Abbitte tun. Er hat sich - wenn man davon absieht, daß durch das Drehbuch die Handlung von 1930 (?) nach 1992 (?) verlegt wurde - im wesentlichen streng an die Romanvorlage gehalten. Erwin Sommer zerstört sich und sein soziales Umfeld auch im Roman wirklich innerhalb weniger Wochen, bis er zwangsweise in eine Heilanstalt eingeliefert wird. Im Buch wird der Alltag in der Heilanstalt noch recht ausführlich beschrieben. Erwin Sommer träumt da vor sich hin, wie er sich auf dem Totenbett noch einmal richtig betrinken will. Nachdem ich das Buch durchgelesen hatte, sah ich mir die konservierte Fernsehsendung natürlich noch zu Ende an. Die Filmfassung endete ein bißchen anders - aber auch nicht glücklich.

Der Film informierte nicht oder nicht wirklichkeitsgetreu über das Wesen und den Verlauf der Alkoholkrankheit . Sicherlich gibt es Fälle, wo zwischen dem Beginn des Trinkens und dem sog. Kontrollverlust nur wenige Wochen liegen (speziell bei jungen Menschen). Im Regelfall ist Alkoholkrankheit das Ergebnis jahrelangen unkritischen Umgangs mit Alkohol, unterbrochen durch verzweifelte und erfolglose Versuche, das Problem durch Veränderung der Trinkgewohnheiten irgendwie in den Griff zu kriegen. Auch wer das Gefühl hat, daß er anders trinkt als andere, hat, wenn er Juhnke gesehen hat, das Gefühl "soweit bin ich nicht". Sowohl der Film als auch das Buch vermitteln ein falsches Bild vom Alkoholkranken. Aufklärung war wohl weder von Fallada noch vom Regisseur beabsichtigt. Ein paar erklärende Worte im Vor- oder Nachspann wären aber sicher sinnvoll gewesen. Und schließlich ist der zeitliche Spagat 1930 - 1992 nicht gut gelungen. Wenn man schon die Handlung um etwa sechzig Jahre vorverlegt, genügt es nicht, die Schauspieler neuzeitlich zu kleiden und mit modernen Autos fahren zu lassen. Die Filmemacher hätten daran denken können, daß sich die Situation in den Heilstätten, Nervenkliniken, bei der Behandlung psychisch kranker Menschen überhaupt in den letzten 60 Jahren geändert hat. Der Film wäre besser gewesen, wenn man die Handlung in den dreißiger Jahren belassen hätte.

Das Buch kann ich durchaus zum lesen empfehlen. Und den Film habe ich immer noch auf Videokassette. Vieleicht wollen Sie sich mal eines von beiden ausleihen.

Klaus Habekost aus ECHO 1/96


31.01.2001http://www.suchtkrankenhilfe.net/anfang.htm
http://home.t-online.de/home/hbkost/sucht/anfang.htm