Bevor ich die gegenwärtige Stellung der Selbsthilfegruppen im Lukas-Werk und damit im Bereich der evangelisch-lutherischen Landeskirche beschreibe, möchte ich - zum besseren Verständnis - kurz die Entwicklung der Suchtkrankenhilfe im Raum Braunschweig schildern.
Ende der sechziger Jahre suchte der Verein Lukaswerk e.V., der damals noch Heimkehrerdank e.V. hieß, mit seinem damaligen Vorsitzenden Propst Erich Warmers ein neues Betätigungsfeld und fand dies in der ambulanten Suchtkrankenhilfe. Am 02.01.1970 eröffnete der Diakon Kurt Buttgereit, davor Therapeut in der Fachklinik Spielwigge, in Braunschweig eine Suchtberatungsstelle. Die Arbeit Kurt Buttgereits war überaus erfolgreich und bald stellte sich für den Therapeuten das Problem der Nachsorge. Zunächst bot er für ehemalige Patienten monatlich Vortragsabende und Wanderungen an und organisierte Weihnachtsfeiern. Im Dezember 1974 trennte man Therapie und Nachsorge, der Braunschweiger Freundeskreis wurde gegründet. Er organisierte von 1975 an Feiern und Ausflüge. Die Informationsabende wurden von Freundeskreis und Beratungsstelle gemeinsam gestaltet. Therapie blieb allein Aufgabe der Beratungsstelle.
Nach 1970 wurden (meist von Diakonen) Beratungsstellen in Goslar, Salzgitter, Helmstedt, Wolfenbüttel und Northeim eröffnet. Freundeskreise gründeten sich meist 2 bis 3 Jahre später. Die Aufgabenverteilung nach Braunschweiger Muster wurde später von allen Beratungsstellen und Freundeskreisen übernommen und gilt heute noch.
Der erste Vorsitzende des Braunschweiger Freundeskreises wurde 1976 Leiter der örtlichen Suchtberatungsstelle. Freundeskreismitglieder wurden zu ehrenamtlichen Suchtkrankenhelfern ausgebildet, machten Patientenbesuche und Wochenenddienste in den Beratungsstellen und wirkten in den Gruppen als Co-Anleiter mit. Beratungsstelle und Freundeskreis gaben vor 25 Jahren ein gemeinsames Mitteilungsblatt heraus - das ECHO, das heute noch 3 mal im Jahr hallt.
Das gute Verhältnis zwischen Beratungsstelle und Freundeskreis wurde 1977 auf eine ernste Probe gestellt, als sich Beratungsstellenleiter und Freundeskreisvorsitzende zerstritten. Einigkeit wurde erst nach Vorstandsneuwahlen wieder hergestellt. Wir haben gelernt: Zwischen dem Verhältnis Beratungsstelle-Freundeskreis und der Qualität der Zusammenarbeit bestehen Wechselbeziehungen. Diese Wechselbeziehungen haben direkte Folgen für die Selbsthilfegruppen: bei guter Zusammenarbeit finden viele Patienten nach der Therapie in den Freundeskreis. Kriselt es zwischen Beratungsstelle und Freundeskreis, bekommt die Selbsthilfegruppe Nachwuchssorgen. Das Verhältnis zwischen Freundeskreis und Beratungsstelle wird dadurch noch mehr belastet.
Dieses Abhängigkeitsverhältnis wird von Freundeskreisen oft nicht wahrgenommen und von den Beratungsstellen mit Hinweis auf die Selbständigkeit der Freundeskreise in Abrede gestellt. Es existiert trotzdem - wie in einer Firma zwischen Chef und Mitarbeiter. Für die Freundeskreise in einem Therapieverbund gilt: denkt an den Ast, der Euch (gut) trägt.
Wie sieht eine gute Zusammenarbeit aus? Ich möchte das aus zwei Gründen am Beispiel Wolfenbüttel anschaulich machen: a) dort sind die Verhältnisse aus Freundeskreissicht optimal. b) Frau Sarstedt-Hülsmann ist Beratungsstellenleiterin in Wolfenbüttel. Herr Laskowski war stellvertretender Beratungsstellenleiter. Sie können mich korrigieren bzw. Fragen beantworten.
Mit der Beschreibung der Zusammenarbeit zwischen Fachambulanzen und Freundeskreisen ist das Vortragsthema "Stellung der Freundeskreise im Verbund" nicht erschöpft. Propst Warmers, der damalige Vorsitzende des Lukaswerk e.V., des früheren Trägers der Suchtkrankenhilfe besuchte regelmäßig die Freundeskreise, lud sie zum Jahrestreffen des Trägervereins ein und brachte vor ca. 20 Jahren die Sprecher der Freundeskreise an einen Tisch: der Arbeitskreis der Freundeskreise tagte 2-3 mal in Jahr unter Propst Warmers. Man informierte sich gegenseitig, schlichtete Streitigkeiten unter den Freundeskreisen und man verabredete gemeinsame Wanderungen. Mit dem Bau der Fachklinik Erlengrund ging die Trägerschaft für die Suchthilfe auf eine Stiftung über, die Freundeskreise bekamen einen Sitz im Stiftungsrat.
Die von Propst Warmers begonnene Integration der Freundeskreise ins Lukas-Werk bekam einen Schub nach der Berufung von Herrn Schuth und Pfarrer Cordes in die Geschäftsführung und der Umwandlung des Arbeitskreises der Freundeskreise in einen rechtsfähigen Verein. Zwischen der Lukas-Werk Suchthilfe gGmbH und der AFL wurden Fortbildungsveranstaltungen für Helfer vereinbart und zwar für Anleiter von Freundeskreisgruppen und Mitglieder, die die Kliniken Erlengrund, Örrel, Dr. Fontheim (private Nervenklinik) und Königslutter (LKH) besuchen. Drei Wochenendseminare von Pfarrer Cordes mit Helfern der AFL-Freundeskreise haben das Zusammengehörigkeitsgefühl der Selbsthilfegruppen untereinander und gegenüber der Lukas-Werk Suchthilfe gebessert.
Die AFL-Freundeskreise tauschen ihre Erfahrungen untereinander aus und stimmen ihre Positionen nach Außen und gegenüber der Lukas-Werk Suchthilfe ab. Sie veranstalten gemeinsam Tages- und Mehrtagesfahrten, wandern zusammen, laden sich gegenseitig zu Jubiläen ein, leisten gemeinsam Öffentlichkeitsarbeit und vertreten sich bei Bedarf. Durch die Mitgliedschaft der AFL im Diakonischen Werk werden die Interessen ihrer Freundeskreise auch überregional vertreten. Ein AFL-Freundeskreis und seine Helfer werden im Therapieverbund durch die örtliche Fachambulanz, die Geschäftsführung der Lukas-Werk Suchthilfe gGmbH (zu der ich auch den therapeutischen Klinikleiter Herrn Laskowski zähle) und durch die anderen Freundeskreise unterstützt. Die Selbsthilfegruppen und ihre Helfer sind damit starke und leistungsfähige Partner im Therapieverbund.
Klaus Habekost, Vortrag beim ELAS-Tag am 08.09.01 in Ösingen