Wenn Juhnke trinkt

In Deutschland leben etwa 2 1/2 Millionen Menschen mit behandlungsbedürftigen Alkoholproblemen. Neuere Statistiken sprechen sogar von 4 Millionen Alkoholabhängigen. Diese Suchtkranken spüren, daß mit ihrem Trinkverhalten etwas nicht stimmt. Sie wissen jedoch wie die Mehrheit ihrer Mitmenschen zu wenig über Suchterkrankungen, um das Ausmaß ihrer Abhängigkeit erkennen zu können. Otto Normalverbrauchers mangelhafte Kenntnisse über Alkoholkrankheit möchte ich mit den Rechenkünsten eines Grundschülers vergleichen, der von fünf Mathematikaufgaben nur die ersten beiden gelöst hat: 1 + 1 = 2 und 3 * 3 = 7. Mit einem Satz: wenig und davon ist auch noch die Hälfte falsch.

Wie kommt es nun, daß unsere Bevölkerung besser über seltene Tropenkrankheiten Bescheid weiß als über die Unfähigkeit mancher Menschen, kontrolliert zu trinken. Alkoholkrankheit an sich ist im Gegensatz zu AIDS, Ebola, und Creutzfeld-Jacob kein Thema für die Medien. Das ist sicher nicht auf fehlende Bedeutung zurückzuführen - denn Alkoholismus wird nicht umsonst als Volkskrankheit Nr. 1 bezeichnet. Für das allgemeine Desinteresse dürften eher Verdrängungsmechanismen ursächlich sein. Wer sich ernsthaft mit Abhängigkeitserkrankungen befaßt, könnte sein eigenes Verhalten als "süchtig" erkennen.

Alkoholkrankheit rückt aber schlagartig in das Interesse der Öffentlichkeit und (damit auch) der Medien, wenn ein Prominenter zuviel trinkt. Aus diesem Grund darf sich Harald Juhnke seit Jahren der besonderen Aufmerksamkeit der Tageszeitungen und ihrer Leser erfreuen.

Leider haben Juhnkes verrückte Saufeskapaden, mit denen er regelmäßig die Schlagzeilen der Boulevardblätter beherrscht, weitreichende Folgen - nicht nur für ihn selbst, sondern auch für Millionen Alkoholsüchtige und deren Angehörige. Was soll denn ein alkoholkranker Mensch, der die Trinkerkarriere des Bühnenstars jahrelang verfolgt, denken? "Ich bin ja genauso krank wie Harald Juhnke, doch ich will mich von Fachleuten behandeln lassen." oder "Ich kann nicht alkoholabhängig sein, denn ich bin noch nicht soweit wie Harald Juhnke. Und wenn ich suchtkrank wäre, warum sollte ich mit dem Trinken aufhören. Juhnke machts ja auch nicht und kommt immer wieder auf die Beine. Keiner ist ihm böse wegen seiner Saufereien - und wenn er nach einem Zechgelage wieder nüchtern ist, wird alles vergeben und vergessen. Und schließlich, was sollte ich denn gegen meine Abhängigkeit machen? Das Verlangen nach Alkohol ist wie Rheuma. Die Krankheitsschübe kommen ohne daß man etwas dagegen tun kann, und klingen nach ein paar Tagen wieder ab."

Was soll man einer solchen suchtorientierten Beweisführung entgegensetzen? Und die Angehörigen, darin geübt, das Alkoholproblem des Ehe- oder Lebenspartners zu bagatellisieren und zu vertuschen, übernehmen diese Argumentation und kommen zu dem Ergebnis "es ist alles nicht so schlimm".

Schade. Weil sich der Süchtige seine Krankheit nicht eingesteht, ist er auch nicht für zeitgemäße Alkoholtherapien erreichbar. Alkoholkrankheit kann durchaus erfolgreich behandelt werden, je früher desto besser - für den Abhängigen und seine Familie. Im Eigeninteresse und um den vielen Alkoholkranken einen Dienst zu tun, sollte Harald Juhnke mit gutem Beispiel vorangehen und mit dem Trinken aufhören - jetzt!

aus ECHO 1/97


31.01.2001 http://www.suchtkrankenhilfe.net/promial.htm
http://home.t-online.de/home/hbkost/sucht/promial.htm